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Die feministische Revolte
Lage der Frauen im Iran

12. Juli 2023 | Von Pauline Tillmann
Solidaritätsdemonstration für die 22-jährige Kurdin Jina Mahsa Amini, die 2022 im Iran gewaltsam ums Leben kam. Foto: Wikipedia / Matt Hrkac

DEINE KORRESPONDENTIN berichtet über inspirierende Frauen weltweit. Natürlich würden wir auch gerne über Frauen aus dem Iran schreiben, die seit mehr als acht Monaten gegen das Mullah-Regime ankämpfen. Aktuell gibt es aber keine Korrespondentinnen vor Ort.

Von Pauline Tillmann, Konstanz

Ich kenne keine Frau, die nicht von den mutigen Protesten im Iran berührt ist. Auch wenn ich noch nie in diesem Land war, zeigen mir die Bilder von Frauen ohne Kopftuch auf Twitter: Es gibt sie, die vielen mutigen, starken Frauen, die nicht müde werden, gegen ein ungerechtes Regime anzukämpfen – auch wenn das am Ende bedeuten kann, dafür mit dem eigenen Leben zu bezahlen.

Um sich über die Lage im Iran zu informieren, empfehle ich vor allem zwei Journalistinnen, die sich so gut auskennen wie kaum andere.

1. Natalie Amiri: Von 2015 bis 2020 leitete sie das ARD-Studio in Teheran. Ich habe sie bei einer Podiumsdiskussion der 10-jährigen Feier von „Pro Quote Medien“ beim SPIEGEL in Hamburg kennengelernt. Sie war damals zugeschaltet und hat reflektierte, kluge Einordnungen geteilt. Aktuell wird sie viel in Talkshows eingeladen, um die Situation im Iran dem deutschen Publikum zu näher zu bringen. Diese Sendung mit Moderatorin Eva Schulz fand ich besonders erhellend. Außerdem war sie bei der re:publica, der größten Digitalkonferenz in Europa, eingeladen.

2. Gilda Sahebi: Sie hat das Buch „Unser Schwert ist die Liebe – Die feministische Revolte im Iran“ geschrieben und saß neben Amiri als Expertin auf der re:publica-Bühne. Sie ist auch Host des Podcasts „Das Iran Update“, den ich wärmstens empfehlen kann. Auch Gilda Sahebi wird viel eingeladen und spricht immer wieder über die Lage im Iran, insbesondere über die Lage der Frauen im Iran.

Leuchtturm für iranische Journalistinnen

Nicht zuletzt ist es auch wichtig, dass wir diejenigen nicht vergessen, die tagtäglich gegen das Mullah-Regime ankämpfen. In diesem Jahr hat der Verein Netzwerk Recherche, bei dem ich Mitglied bin und dem ich seit Langem freundschaftlich verbunden bin, den sogenannten „Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“ an die beiden iranischen Journalistinnen Niloufar Hamedi und Elahe Mohammadi für ihre mutige Berichterstattung über den Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini verliehen.

Daniel Drepper, Vorsitzender von Netzwerk Recherche, sagte bei der Preisverleihung Mitte Juni in Hamburg: „Niloufar Hamedi und Elahe Mohammadi sind Vorbilder. Ihre Arbeit führt uns vor Augen, wie wichtig und relevant eine freie Presse ist – und wie viel Kraft journalistische Veröffentlichungen entfalten können.“

Die beiden Journalistinnen hatten als Erste über den Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini berichtet. Amini, die von iranischen Sittenwächtern verhaftet worden war, starb Mitte September 2022. Der Fall löste im Iran die schwersten Proteste seit Jahren aus. Der iranische Geheimdienst bezeichnet die beiden Journalistinnen als „ausländische Agenten“ und wirft ihnen Propaganda gegen den Staat vor.

Hamedi und Mohammadi sind seit mehr als acht Monaten inhaftiert, derzeit stehen sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor dem Revolutionsgericht in Teheran. Sie sind nicht die einzigen Medienvertreter*innen, gegen die die iranische Regierung vorgeht. Fast 100 Journalist*innen wurden in den vergangenen Monaten verhaftet und ihre Angehörigen unter Druck gesetzt.


 

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Zitate aus der Laudatio für Hamedi und Mohammadi

Der „Leuchtturm 2023“ zeichnet den Mut von Niloufar Hamedi und Elahe Mohammadi aus, trotz der Repressionen durch den iranischen Staat kritisch zu berichten. Stellvertretend würdigt er aber alle Protestierenden im Iran, die die Menschenrechte in ihrem Heimatland verteidigen. Der iranische Journalist Omid Rezaee hielt eine bewegende Rede auf die beiden Preisträgerinnen. Hier ein paar wörtliche Zitate daraus:

„Niloufar Hamedi und Elahe Mohammadi wussten, dass sie Konsequenzen erwarten, wenn sie über den Tod von Jina Mahsa Amini berichten. Sie sind ihrer Aufgabe trotzdem nachgegangen, denn sie sind davon überzeugt, dass Journalismus nichts anderes ist, als Licht auf das Dunkle zu werfen.“

„Du wusstest ganz genau, was du machst, als du dich entschieden hast in die Heimatstadt von Amini zu fahren und über ihre Beerdigung zu berichten. Du hast dieser Geschichte den Titel gegeben „Die ganze Heimat trauert“.“

„Es war kein Zufall, dass vor einigen Jahren gerade durch deinen Bericht von einem brutalen Mord an einer 14-Jährigen durch den eigenen Vater, eine landesweite Debatte über häusliche Gewalt im Iran ausgelöst hat.“

Preisverleihung des Leuchtturms 2023 vomVerein Netzwerk Recherche an die Journalistinnen Niloufar Hamedi und Elahe Mohammadi (rechts), die bewegende Laudatio hielt der iranische Journalist Omid Rezaee (Mitte). | Foto: Pauline Tillmann

„Du hast dich getraut, von den Gefahren der illegalen Abtreibung im Land zu berichten, weil die islamistische Herrschaft die Abtreibung kriminalisiert hat. Du hattest den Mut aufzuzeigen, dass Selbstverbrennung ein weit verbreitetes Phänomen unter Frauen im westlichen Iran ist. Und du hast im vergangenen Sommer von Gewalt der sogenannten Sittenpolizei im Iran berichtet.“

„Du hast dich aber nicht nur mit dem iranischen Geheimdienst angelegt, sondern auch mit deinen Vorgesetzten, mit deiner eigenen Redaktion, als du was von sexuellem Missbrauch in der Redaktion berichtet hast.“

„Ihr wusstet genau, was euch erwartet, aber ihr habt es trotzdem gemacht. Ihr seid eurer journalistischen Aufgabe nachgegangen. Denn ihr seid davon überzeugt. Und ihr wolltet uns zeigen, dass Journalismus nichts anderes ist, als die Sonne an die Hand zu nehmen und sie in Dunkelheit, Schatten und unheimlichen Ecken zu tragen, wo die Düsterkeit, das Licht gestohlen hat.“

„Dieser Preis ist zu klein für euch. Ihr seid zu groß für diesen Preis, für jeden Preis. (…) Wir verleihen euch diesen Preis, um uns selbst daran zu erinnern, was Journalismus eigentlich ist, was Journalismus eigentlich kann und was unsere Aufgabe als Journalist*innen ist. Ihr mahnt uns mit eurem Widerstand und mit eurer Sehnsucht nach Journalismus. Wir verleihen euch diesen Preis, um zu zeigen, dass wir eure Meinung ernstnehmen. Wir sind uns sicher, dass ihr diese dunkleren Tage überstehen werdet. Ihr müsst sie überstehen. Denn der Journalismus braucht euch.“

 

Hintergrund: Leuchtturm-Preis für besondere publizistische Leistungen

Einmal pro Jahr vergibt das Netzwerk Recherche den Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen. Er zeichnet außergewöhnliche Recherchen aus, die für den öffentlichen Diskurs von großer Bedeutung sind. Die Preisträger in der Übersicht:

2023: Niloufar Hamedi und Elahe Mohammadi für ihre mutige Berichterstattung über den Tod von Jina Mahsa Amini

2022: Arndt Ginzel für seine Berichterstattung aus der Ukraine während des russischen Angriffskrieges

2021 fand pandemiebedingt keine Verleihung statt

2020: Andrea Röpke, Julian Feldmann und Anton Maegerle für ihre langjährigen Recherchen im rechten Milieu; Sonderpreis für das Science Media Center (SMC)

2019: Juan Moreno (freien Spiegel-Reporter) für die Aufdeckung der Relotius-Manipulationen

2018: #MeToo-Rechercheteam der ZEIT, stellvertretend an Jana Simon, Annabel Wahba und Christian Fuchs

2017: Armin Wolf für seine klare Haltung, seine Kompetenz und seinen permanenten Dialog in den sozialen Medien; Ehren-Leuchtturm für Hans Leyendecker

2016: Can Dündar für die mutigen Recherchen seiner Zeitung sowie für seinen Kampf um die Pressefreiheit

2015: Ulrich Chaussy für seine jahrzehntelange Recherchen zum Oktoberfest-Attentat

2014: Bastian Obermayer und Uwe Ritzer für ihre Recherchen über den ADAC

2013: Michael Obert und Moises Saman für ihre außergewöhnlichen Reportage „Im Reich des Todes”. Den Leuchtturm-Sonderpreis erhält Jochen Wagner stellvertretend für alle Honorarkläger

2012: René Wappler (Spremberger Rundschau) und Wolfgang Kaes (Bonner General-Anzeiger) für ihre herausragende Leistungen im Lokaljournalismus

2011: Frankfurter Allgemeine Zeitung / Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung für ihre Berichterstattung in der Guttenberg-Affäre

2010: in diesem Jahr zu gleichen Teilen an Dr. Heiner Geißler, Bundesminister a.D., Dr. Andreas Zielcke (Süddeutsche Zeitung) und Arno Luik (stern).

2009: Reporterpool von NDR Info für seine kontinuierlichen Rechercheleistungen

2008: Peter Merseburger für seine Augstein-Biografie und sein Lebenswerk

2007: Andrea Röpke, Anton Maegerle und Thomas Kuban für die Recherchen der drei Journalisten in der rechtsextremen Szene

2006: Hajo Seppelt und das Team der Radiosendung “Hintergrund Politik” für die Berichterstattung über Doping in der ARD und der kontinuierliche kritische, hintergründige Journalismus

2005: Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann für die WDR-Story „Milliarden-Monopoly“ und Sonderpreis für Bildblog.de (Stefan Niggemeier und Christoph Schultheis) für die kontinuierliche kritische Beobachtung der BILD-Zeitung

2004: Dr. Volker Lilienthal vom Evangelischen Pressedienst (epd) für die nachhaltigen Recherchen u.a. zur Schleichwerbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen

2003: Jürgen Dahlkamp für die Reportage über den Tod des Asylbewerbers Aamir Ageeb und den mit diesem Fall verbundenen Justizskandal

2002: Christoph Lütgert und Siri Nyrop für die „Lipobay“-Recherchen

 

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Von Pauline Tillmann, Konstanz

Pauline Tillmann ist Gründerin und Chefredakteurin von DEINE KORRESPONDENTIN. 2011 bis 2015 war sie freie Auslandskorrespondentin in St. Petersburg und hat für den ARD Hörfunk über Russland / Ukraine berichtet. Zuvor hat sie beim Bayerischen Rundfunk volontiert. Pauline ist regelmäßig als Coachin, Beraterin und Speakerin im Einsatz. 2022 erschien ihr Buch „Lust auf Lokal – das Handbuch für Community-Journalismus“, außerdem hat sie das Buch „Frauen, die die Welt verändern“ herausgegeben. Mehr unter: http://www.pauline-tillmann.de.

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Sabrina ProskeMünchen
Saado Ali* ist eine junge Mutter aus Nordsomalia. Sie flieht hochschwanger mit ihrem kleinen Sohn Yusuf vom Krieg. Zwischen provisorischen Zelten und Planen setzen plötzlich ihre Wehen ein. Mit uns spricht sie erstmals über ihre Erfahrungen als Schwangere in einem Kriegsgebiet.

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