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Weniger ist mehr
Interview mit Katharina Finke

24. Mai 2017 | Von Pauline Tillmann
Foto: David Weyand

Im März 2017 erschien ihr Buch „Loslassen – wie ich die Welt entdeckte und verzichten lernte“. Seitdem tingelt Katharina Finke von einem Interview zum Nächsten. Das Thema Minimalismus begleitet sie aber nicht erst seitdem. Sie besitzt schon eine ganze Weile nur die Dinge, die sie wirklich braucht. 

Katharina, worin unterscheidet sich das Leben einer Minimalistin von dem eines Menschen, der „ganz normal“ konsumiert?

Nach meinem Verständnis achtet eine Minimalistin sehr bewusst auf ihren Konsum, um wenig Ressourcen zu verbrauchen. Das bedeutet zunächst: möglichst wenig konsumieren. Eher reparieren oder gebraucht und erst als letzte Instanz neu kaufen. Dabei immer auf die Produktionsbedingungen der Produkte achten.

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Was war der ausschlaggebende Punkt für dich, dass du dich entschieden hast: So, ab jetzt trenne ich mich von sämtlichen Habseligkeiten?

Es war ein sehr pragmatischer Anlass. Vor fünf Jahren wollte mein damaliger Ex-Freund aus unserer noch bestehenden Wohnung ausziehen, in der ich schon länger nicht mehr wohnte und für mich stellte sich die Frage: Dinge einschließen oder loslassen – und ich entschied mich für Letzteres.

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Wie hat sich das für dich am Anfang angefühlt?

Komisch, auch wenn sich zunächst nicht so viel für mich änderte. Wirklich bewusst wurde es mir erst etwas später, als ich viel intensiver mit meinen Emotionen konfrontiert wurde – negativ und positiv – weil es nicht mehr wirklich etwas gab, mit dem ich mich ablenken konnte.

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Was hast du am meisten vermisst?

Materiell nichts. Aber nach einer Weile meine Privatsphäre, da ich auch Schlafarrangements hatte, wo es noch nicht einmal eine Tür gab, die ich hinter mir zumachen konnte.

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Du hast 2015 das Buch „Mit dem Herzen einer Tigerin“ geschrieben, in dem es um Gewalt gegen Frauen in Indien geht. Hat es geholfen, dass du bei deinen Recherchen mit wenig Gepäck unterwegs warst?

Ja, es hat sehr geholfen und vor allem, dass ich nicht so hohe materielle Ansprüche habe. Denn so konnte ich mich besser auf die Situationen einlassen, war schneller ebenbürtig und das haben die Protagonisten/innen, glaube ich, auch gespürt.

Wurde dir besonders klar, dass du mit wenig auskommst, als du in den Slums von Indien unterwegs warst – oder was hat dich am meisten beeindruckt?

Beeindruckt hat mich, wie Menschen, die – anders als ich – gezwungen werden mit wenig auszukommen und ein furchtbares Schicksaal haben, trotzdem so viel Lebensfreude und Kraft aufbringen können. Wenig zu besitzen aus freien Stücken – so wie bei mir ist etwas ganz anderes, als dazu gezwungen zu werden und damit klarzukommen – davor habe ich großen Respekt.

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Wie findest du die Bezeichnung Minimalistin? Würdest du dich selber so beschreiben?

Unter der Bezeichnung wird vieles zusammengefasst, deswegen würde ich mich selbst nicht unbedingt so beschreiben, weil ich mich nicht mit allen Definitionen identifizieren kann. Außerdem halte ich nicht viel von Labels. Aber ich finde es auch nicht schlimm, wenn mich jemand so nennt, solange klar wird, worum es mir geht.

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Gibt es weltweit eine Community in diesem Bereich, die sich vernetzt? Kannst du besonders lesenswerte Webseiten oder Bücher zu dem Thema empfehlen – abgesehen von deinem?

Es gibt eine Community, von der ich auch schon angeschrieben wurde oder durch Medienberichte erfahre. Beispielsweise einen regelmäßigen Stammtisch in Deutschland. Außerdem zahlreiche Bücher und Blogs zu dem Thema. Ich verfolge diese aber nicht, weswegen ich da auch keine Empfehlungen aussprechen kann.

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Lebst du eigentlich noch immer aus dem Koffer und hast keinen festen Wohnsitz?

Derzeit lebe ich in Berlin in einer Wohnung von Freunden. An meinem Besitz hat sich nicht viel geändert, er passt immer noch in zwei Koffer und einen Umzugskarton.

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Kritisierst du mit deiner Art zu Leben auch das Konsumverhalten in unserer Gesellschaft insgesamt – oder ist das nur dein ganz persönlicher Weg?

Sowohl als auch würde ich sagen. Es ist mein Weg, der eine Konsumkritik beinhaltet. Ich will damit aber nur inspirieren und nicht missionieren.

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Denkst du, dass sich deine Haltung ändern wird, wenn du zum Beispiel ein Kind bekommst?

Nein, denn das ist derzeit der Fall. Ich bin schwanger und werde bald ein Kind bekommen und das Reisen soll auch mit Kind weitergehen. Aber sobald es in die Kita kommt wird es eine Basis geben. Das finde ich nicht schlimm. Mir geht es ja vor allem darum sich nicht so viele Dinge anzuschaffen und das werde ich beibehalten. Vieles können wir uns von Freunden leihen, alles andere auf dem Flohmarkt kaufen, um es danach wieder zu verkaufen. Auch mit Kind wird mein Konsum bewusst sein.

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Im Klappentext von „Loslassen“ steht: „Dies ist ein Buch darüber, was es heißt loszulassen. Und woran es sich lohnt festzuhalten.“ Woran lohnt es sich denn, deiner Meinung nach, festzuhalten? 

Es sind die Dinge, die man nicht greifen kann: Erfahrungen, Erlebnisse, zwischenmenschliche Beziehungen. Ganz wesentlich sind für mich auch Respekt, Einfühlungsvermögen und Achtsamkeit. Wenn wir solch immateriellen Punkten mehr Bedeutung geben würden, würde sich viel verändern und zu einem liebevolleren Umgang miteinander führen.

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Und zum Schluss die Frage: Für wen ist dein Buch eigentlich gedacht?

Für alle, die sich zum Loslassen inspirieren lassen wollen.

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Katharina Finke, vielen Dank für das Gespräch. Aus Termingründen haben wir das Interview schriftlich geführt. Die Journalistin ist derzeit im Rahmen ihres Buches viel unterwegs.

 

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Von Pauline Tillmann, Konstanz

Pauline Tillmann ist Gründerin und Chefredakteurin von DEINE KORRESPONDENTIN. 2011 bis 2015 war sie freie Auslandskorrespondentin in St. Petersburg und hat für den ARD Hörfunk über Russland / Ukraine berichtet. Zuvor hat sie beim Bayerischen Rundfunk volontiert. Pauline ist regelmäßig als Coachin, Beraterin und Speakerin im Einsatz. 2022 erschien ihr Buch „Lust auf Lokal – das Handbuch für Community-Journalismus“, außerdem hat sie das Buch „Frauen, die die Welt verändern“ herausgegeben. Mehr unter: http://www.pauline-tillmann.de.

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Eva TempelmannMünster / Lima
Bis zu 40 Prozent der Frauen machen bei der Geburt ihrer Kinder gewaltvolle, teils traumatische Erfahrungen im Kreißsaal. Lena Högemann wirft in ihrem Buch „So wollte ich mein Kind nicht zur Welt bringen“ einen feministischen Blick auf die Geburtshilfe und zeigt Wege auf für mehr Selbstbestimmung.

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