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Lerne inspirierende Frauen weltweit kennen.

Von Humor, Applaus und Geldstrafen
Coronavirus weltweit

In Irland sind derzeit alle Pubs geschlossen, erzählt Clodagh McConnell. So etwas schaffe sonst "nur Jesus". Foto: privat

Brennereien stellen Desinfektionsmittel her, Sportfirmen nähen Schutzkleidung, Rettungssanitäter*innen bekommen Pralinen und Blumen an den Krankenwagen gesteckt: So begegnen die Menschen in Irland der Corona-Krise mit Humor und Zusammenhalt. Auch Argentinien und Frankreich versuchen mit der Ausnahmesituation so gut wie möglich umzugehen, wie unsere Korrespondentinnen berichten.

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Von Mareike Graepel, Dublin

Lass dir von der Wahrheit nie eine gute Geschichte kaputtmachen, heißt es in Irland. „Aber aktuell passieren so viele unglaubliche Dinge, da muss man nicht mal was dazu erfinden“, erzählt Clodagh McConnell. Die Dublinerin lebt in Cork, in Irlands Südwesten. „Einem Freund von mir hat sein Vater gesagt: Ich komm’ dich gern am Flughafen in Dublin abholen – aber ins Auto kommst du mir nicht. Ich komm mit dem Vieh-Anhänger für dich und deinen Koffer.“ Der Vater – über 60 Jahre alt und Risikopatient aufgrund von Vorerkrankungen – habe das ernst gemeint: Er will den Sohn nach der Heimreise aus Kanada mit Zwischenstopp in London aus Angst vor einer möglichen Infektion nicht in seine Nähe, ihn aber auch nicht im Stich lassen.

Spätestens seit der jahrhundertlangen Unterdrückung durch England und der verheerenden Hungersnot in den 1840er Jahren sind die Ir*innen dramatische Ereignisse gewöhnt – und haben gelernt, dass mit dem richtigen Maß an – auch gerne schwarzem – Humor, Pragmatismus und Zusammenhalt auch die schwersten Katastrophen erträglicher sind. Daran ändern auch ein Coronavirus und der landesweite Maßnahmenkatalog nichts.

Schul-, Universitäten- und Ämterschließungen sind auf der Grünen Insel die eine Sache – dass aber am St. Patrick’s Day, am 17. März, bereits und auf unabsehbare Zeit alle Pubs geschlossen sind, ist eine ganz andere Nummer. „Sowas schafft sonst nur Jesus Christus zu Ostern und Weihnachten“, scherzen die Ir*innen zu Hunderten in den sozialen Medien. „Und selbst der musste in den letzten Jahren mit den Gastwirten hart um Karfreitag und Weihnachten kämpfen.“

In der gesamten Geschichte des Landes war bislang nur an diesen beiden Tagen im Jahr tatsächlich keine einzige Gaststätte geöffnet. Wenn man sich nicht zu Partys und geselligem Austausch treffen kann – und die große Mehrheit der Bevölkerung halte sich an die Vorgaben, so McConnell – macht Not die Ir*innen erfinderisch: Statt der gewohnten Paddy’s-Day-Paraden mit Tausenden von Menschen am Straßenrand fuhr in Cork eine Auto-Karawane durch die Stadt. In den Fahrzeugen komplett verkleidete Familien, hinter (fast immer) geschlossenen Fenstern. Es wurde gehupt und gewinkt und sich angelacht – immer mit viel Abstand.

„Social Distancing“ an der Küste (Foto: Clodagh McConnell).

Ohne Pubs und Partys aber auch kein Alkoholverkauf? „Das stimmt, aber die Gin- und Whiskeybrennereien haben ihre Produktionsketten geändert – und stellen nun Desinfektionsmittel her, erklärt Clodagh O’Connell. Auch in Irland ist das in Supermärkten und Drogerien fast überall ausverkauft. Während in Irland die Psycholog*innen besorgt auf die möglichen Folgen der sozialen Distanz für die mentale Gesundheit vieler Menschen blicken, zeigen die Ir*innen aber auch besonders viel Herz für diejenigen, die sich Tag für Tag für das Leben der Patient*innen einsetzen.

Clodagh McConnell: „Als ich gestern kurz zum Einkaufen musste, stand ein Krankenwagen auf dem Parkplatz, die Besatzung musste vermutlich kurz etwas zu essen kaufen. Abgesehen davon, dass alle Menschen in Irland, die im Gesundheitswesen arbeiten, jetzt überall umsonst parken dürfen, überraschen die Bürger*innen die Ärzte, Rettungssanitäter, Krankenschwestern und Pfleger überall mit kleinen Aufmerksamkeiten.“ Als sie den Supermarkt verließ, hatte bereits jemand eine Pralinenschachtel und einen kleinen Blumenstrauß an die Windschutzscheibe der Rettungswagens geklemmt. Und ein Fünf-Sterne-Luxus-Hotel in Kildare, am Rande von Dublin, bietet medizinischem Personal und möglichen Covid-19-Patient*innen kostenlose Unterbringung in den Suiten und Zimmern an.

„Der Sinn für unsere kleine Gemeinschaft auf der Insel ist phänomenal“, sagt die 40-jährige McConnell. „Auch die Wirtschaft zieht mit, nicht nur die Spirituosenhersteller satteln um. Der Sportbekleidung-Hersteller O’Neill beispielsweise hat seine Fabriken nach der Schließung doch wieder geöffnet, um statt Trikots Schutzkleidung zu nähen.“ Ob es nun lustige „homemade“ Video-Blogs älterer Herren sind, die die Menschen zur körperlichen Ertüchtigung zu Hause motivieren wollen oder die Geschichte einer Friseurin, die die Haare ihrer Kundin durch den Briefschlitz föhnt – das Coronavirus sorgt in Irland zwar auch für ein ähnliches Wirtschaftschaos und Sorgen um die Gesundheit des Einzelnen wie im Rest der Welt, aber eben auch für viel Unterhaltung.


Von Tamara Vogel, Berlin

Jeden Abend um 21 Uhr treten die Argentinier*innen auf ihre Balkone und an ihre Fenster, um den Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen mit einem kräftigen Applaus für deren Einsatz in der Corona-Krise zu danken. Die Aktion begann zunächst in verschiedenen Stadtteilen der Hauptstadt Buenos Aires und verbreitete sich dann im ganzen Land. Immer mehr Menschen riefen in sozialen Medien unter dem Hashtag #ArgentinaAplaude dazu auf, so dem medizinischen Fachpersonal Anerkennung zu zeigen.

Nach dem Klatschen ist aber noch nicht Schluss: Danach wird oft noch Musik gespielt, gesungen und sogar getanzt – alles, um der sozialen Isolation entgegenzuwirken. Besonders in der sonst pulsierenden Metropole Buenos Aires findet das Leben eigentlich meist draußen statt, weshalb die Porteños, wie die Einwohner*innen dort heißen, nun diese speziellen Momente nutzen, um mit ihren Nachbar*innen in Kontakt zu treten.

Denn seit dem 20. März herrscht in ganz Argentinien die ,Cuarentena total‘, eine allgemeine Ausgangssperre, die jüngst bis Ostern verlängert wurde. Lediglich der Gang zum Supermarkt oder zur Apotheke ist erlaubt. Denjenigen, die nicht zur Ausnahmegruppe – darunter Gesundheitspersonal, Sicherheitskräfte, Polizist*innen und Verkäufer*innen – gehören und sich ohne Grund im Freien aufhalten, drohen im härtesten Fall sogar Haftstrafen. Um sicherzustellen, dass sich niemand unerlaubt auf der Straße und auf öffentlichen Plätzen aufhält, kontrolliert im ganzen Land verstärkt die Bundespolizei, Gendarmerie, Küstenwache und Flughafensicherheitspolizei, die die lokale Polizei der Gemeinden unterstützen.

Zwar halten sich die meisten Argentinier*innen an die Ausgangssperre, aber es gibt auch welche, die sich dagegen wehren: So wurden in der ersten Woche knapp 5.000 Menschen festgenommen und rund 1.000 Fahrzeuge beschlagnahmt. Insbesondere im Ballungsraum Buenos Aires wurden die Kontrollen intensiviert. Mit rund 13 Millionen Einwohnern lebt hier ein Drittel der Gesamtbevölkerung Argentiniens. Ein rasanter Anstieg der Fallzahlen würde das Gesundheitssystem vollkommen überlasten. Daher werden auch vorsorglich Notfall-Isolationszentren in Sporthallen und Feldlazarette errichtet.

Gerade in diesen Zeiten fällt auf: Das sonst politisch extrem polarisierte Argentinien steht zusammen. So präsentierte sich der peronistische Präsident Alberto Fernández, der erst seit vergangenem Dezember im Amt ist, bei der Verkündung der Ausgangssperre gemeinsam mit vier Gouverneuren, die alle einer unterschiedlichen Partei angehören – als Botschaft der politischen Einheit. Nach einem Treffen mit dem oppositionellen Bürgermeister von Buenos Aires, Horacio Rodríguez Larreta, twitterte Fernández: „In schwierigen Zeiten müssen wir mehr denn je vereint sein.“

Dabei wollte sich der Präsident nach seinem Amtsantritt eigentlich einem ganz anderen Problem annehmen: Argentinien befindet sich in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Inflationsrate beträgt mehr als 50 Prozent und zählt damit zu den höchsten der Welt: Immer mehr Argentinier*innen sind von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen. Daher muss die Regierung gerade jetzt einen Mittelweg zwischen der Eindämmung der Pandemie und der Stabilisierung der Wirtschaft finden.

Genau das gleicht einem Drahtseilakt, weil die Hälfte der Argentinier*innen informell beschäftigt. Das heißt, sie halten sich mit Gelegenheitsjobs wie der des Straßenverkäufers über Wasser. Um diese Menschen zu unterstützen, will die Regierung die Sozialhilfen aufstocken und Renten erhöhen. Außerdem soll ein Kabinett gebildet werden, das sich mit der Pandemie und wirtschaftlichen Fragen befasst.


Von Carolin Küter, Lyon

Die Französinnen und Franzosen müssen zum Schutz gegen die Corona-Pandemie seit Mitte März zu Hause bleiben. Am Freitag wurde die Teilausgangssperre bis zum 15. April verlängert. Wahrscheinlich gelten die Bewegungseinschränkungen aber darüber hinaus, denn das Land stehe erst am Beginn der Corona-Krise, wie Regierungschef Edouard Philippe betonte.

Die Maßnahmen trafen Frankreich wie ein Schlag: Während in anderen europäischen Ländern wie Italien, Österreich und der Schweiz schon im Laufe der zweiten Märzwoche klar wurde, dass unter anderem Skistationen schließen müssen, wähnte sich die französische Bevölkerung noch in der Normalität, ging ins Kino und Theater, brach am Samstag, dem 14. März, zu Hauf in den Skiurlaub auf, stand auf den Autobahnen mit Tausenden anderen in kilometerlangen Staus, um am Abend zu erfahren, dass ab Sonntag alle Skistationen geschlossen werden.

Restaurants und Bars erhielten am frühen Abend die Anweisung, ab Mitternacht zu schließen. Es habe sich gezeigt, dass die Französinnen und Franzosen nicht diszipliniert genug seien, so Regierungschef Edouard Philippe bei seiner Ansprache an diesem Tag, deswegen die drastischen Regeln – bisher gab es lediglich Maßgaben, wie, sich regelmäßig die Hände zu waschen und auf die typische „Bise“, den Kuss zur Begrüßung, zu verzichten.

Tags darauf, am 15. März, fanden landesweit noch die erste Runde der Kommunalwahlen statt. Kritiker*innen werfen der Regierung vor, nur deswegen so lange mit der Verhängung von Einschränkungen gewartet zu haben. Die zweite Runde wurde abgesagt. Präsident Emmanuel Macron, erklärte Frankreich befinde sich nun „im Krieg“ mit dem neuartigen Virus.

Aus dem Haus darf nur noch, wer zur Arbeit, zum Arzt, einkaufen, dringend einem Familienmitglied Hilfe leisten muss oder allein Sport treibt. Treffen mit Freund*innen und Familie sind verboten, die meisten Parks und Grünflächen geschlossen. Für jeden Gang ist eine selbstauszufüllende Bescheinigung nötig. Bei Missachtung droht eine Geldstrafe von 135 Euro – etwa, wenn man mit Menschen unterwegs ist, mit denen man nicht zusammenlebt oder sich mit dem Auto ohne guten Grund zu weit von seiner Wohnung entfernt.

Dagegen wurde laut Innenministerium mehr als 260.000 verstoßen. Medien berichteten von zwei Männern, die unerlaubterweise beim Pilze sammeln erwischt wurden. Dass einer der beiden zufälligerweise stolperte und sich sein Bein brach, erbarmte die Ordnungshüter*innen nicht. Im nordfranzösischen Calais wurde ein junger Mann zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er acht Mal ohne Bescheinigung erwischt wurde.

Dabei findet die Mehrheit der französischen Bevölkerung, dass die Regierung der Situation nicht gewachsen sei. Besonders der Personalmangel in den Kliniken zeigt sich im Zuge der Corona-Krise: Pflegekräfte hatten deswegen in den vergangenen Monaten immer wieder vergeblich protestiert und gestreikt. Präsident Macron versprach nun für die Zeit nach der Epidemie „massive Investitionen“ in Krankenhäuser und Prämien für Ärzt*innen und Pfleger*innen.

Profitieren könnten davon vor allem Frauen, denn sie machen – wie in vielen anderen Ländern – den Großteil der Pflegekräfte aus. Die Corona-Krise trifft sie aber auch in einem anderen Bereich. So leiden vor allem Opfer häuslicher Gewalt unter der Quarantäne. Landesweit stiegen die Fälle laut Innenministerium seit Mitte März um ein Drittel an. Deswegen sollen sich Opfer künftig auch bei Apotheken melden können, die dann der Polizei Bescheid geben – ein System, das es in Spanien bereits seit Längerem gibt.

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Sabrina ProskeMünchen
Saado Ali* ist eine junge Mutter aus Nordsomalia. Sie flieht hochschwanger mit ihrem kleinen Sohn Yusuf vom Krieg. Zwischen provisorischen Zelten und Planen setzen plötzlich ihre Wehen ein. Mit uns spricht sie erstmals über ihre Erfahrungen als Schwangere in einem Kriegsgebiet.
Pauline TillmannKonstanz
Das Startup „Art Recognition“ will Kunstfälschungen mithilfe von Künstlicher Intelligenz entlarven. Gegründet wurde es vor fünf Jahren von der Rumänin Carina Popovici. Wir haben sie in Adliswil, in der Nähe von Zürich, besucht. 

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