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Bio-Tampons auf dem Vormarsch
Gründerinnen kämpfen für weniger Tabu

20. Februar 2019 | Von Carolin Küter
Dorothée Barth (links) und Coline Mazeyrat waren Freundinnen, bevor sie Geschäftspartnerinnen wurden. Fotos: privat

Tampons können chemische Stoffe wie Dioxine, Weichmacher oder Rückstände von Pestiziden enthalten. Deshalb bieten die beiden Gründerinnen Dorothée Barth und Coline Mazeyrat jetzt mit ihrem Startup eine Alternative zu den herkömmlichen Produkten, wie Korrespondentin Carolin Küter im Interview erfahren hat.


Warum haben Sie Ihre Firma „Juste & Honnête“, zu Deutsch etwa „fair und ehrlich“, gegründet?

Barth: In Frankreich gab es vor anderthalb Jahren viel Aufregung über die Inhaltsstoffe von Tampons. Es wurde überall darüber berichtet, dass es keine gesetzlichen Bestimmungen dafür gibt, aus was Menstruationsprodukte bestehen dürfen und dass Tampons giftige Produkte enthalten, die in Feuchtigkeitscremes, Duschgels oder Shampoos verboten sind. Uns und viele andere Frauen hat es schockiert zu erfahren, dass wir uns diese Produkte seit Jahren in den empfindlichsten Teil unseres Körpers einführen.

Wie ist es vom ersten Schock zur Firmengründung gekommen?

Barth: Wir haben in Nantes, wo wir leben, einen US-amerikanischen Unternehmer getroffen, der gerade dabei war, ein Gründerzentrum für Startups aufzubauen. Der hat uns von einem Konzept erzählt, dass es in den USA bereits gibt: Bio-Tampons im Abo. Als er uns gefragt hat, ob wir uns vorstellen könnten, auch so ein Geschäftsmodell aufzubauen, waren wir als Frauen, die selbst von dem Problem betroffen sind, natürlich Feuer und Flamme. Ich war vorher Journalistin für Gesundheitsthemen und habe mich viel mit Umweltverschmutzung und deren Auswirkung auf den Körper beschäftigt. Aber ich habe mich nie gefragt, aus was Tampons bestehen, was ich schon komisch finde. Das heißt, dass das Thema ein großes Tabu ist. Und Coline war ohnehin schon sehr Bio.

Mazeyrat: Ich bin mit meiner Schwangerschaft auf Bio umgestiegen. Das war schon zwanghaft, bei mir war alles Bio. Aber auch nach der Geburt habe ich mir nicht eine Sekunde lang Gedanken darüber gemacht, welche Produkte ich für den empfindlichsten Teil meines Körpers benutze. Also gab es auch bei mir ein großes Tabu.

In Deutschland sagt man „Erdbeerwoche“, wenn man seine Tage hat, oder man spricht vom „Besuch der roten Tante“. Die Flüssigkeit, die in der Tamponwerbung zu sehen ist, ist aber nicht rot wie Blut, sondern blau. Kommt Ihnen das bekannt vor?

Barth: Ältere Leute sagen: „Ich habe meine Mohnblumen.“ In der Schule gab es Mädchen, die gesagt haben „Ich bin unpässlich“ oder man sagt „Die Woche im Monat.“ Man scheut das Wort „Regel“. Es ist immer noch ein Tabu.

Die beiden Gründerinnen bei der Arbeit.

Woran merken Sie heute in Frankreich noch, dass das so ist?

Mazeyrat: Am schlimmsten ist es in der Schule, wenn alle ihre Tage bekommen und sich eine Strickjacke um die Hüfte binden, weil sie Angst davor haben, dass sie Flecken auf der Hose haben. Aus diesem Alter sind wir zwar raus. Aber wenn man im Büro ist und keinen Tampon hat und eine Kollegin danach fragt, muss man flüstern und dann versteckt man es in der Tasche oder im Ärmel.

Barth: Es gibt Frauen, die während der Regel wirklich mit starken Kopf- oder Bauchschmerzen eingeschränkt sind. Auch wenn es dann schwierig ist, arbeiten zu gehen, halten sie das aus. Eine Frau wird kaum zu ihrem Chef gehen und sagen, „Ich habe meine Tage, mir geht’s nicht gut, ich arbeite heute Nachmittag von zu Hause.“ Ein Mann, dem es so schlecht geht, dass er fast ohnmächtig wird, würde nicht zur Arbeit gehen. Daran sieht man, wie schwer der offene Umgang mit dem Thema immer noch ist.

Mazeyrat: Aber es gibt auch Positives. In Frankreich gibt es noch keinen Menstruationsurlaub*, aber ich höre immer öfter von Frauen, die sagen, dass sie mit ihrer Chefin über ihre Regelschmerzen sprechen. Es gibt Unternehmen, die uns kontaktieren, weil sie ihren Angestellten Hygieneprodukte zur Verfügung stellen wollen. Das ist ein gutes Zeichen. [

Nach dem Skandal über die Inhaltsstoffe gab es eine Studie der Umweltschutzbehörde. Demnach enthalten Tampons und Binden chemische Stoffe wie Weichmacher, Pestizide wie Glyphosat oder Dioxine, die bei der Bleichung mit Chlordioxid entstehen können. Diese Stoffe wurden jedoch nur in sehr geringen Mengen gefunden. Der Staat fordert die Firmen dazu auf, die Qualität und Herstellung zu verbessern. Laut Behörde besteht aber kein Gesundheitsrisiko. Warum also die Aufregung?

Barth: Im Moment werden Studien durchgeführt, um zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Tampons und der steigenden Anzahl gynäkologischer Krebserkrankungen und Endometriose gibt. Man muss festhalten, dass es einen Bericht einer Regierungsbehörde gibt, in dem den Herstellern gesagt wird, dass sie weniger belastete Produkte verwenden sollen. Gleichzeitig heißt es, das sei nicht gefährlich. Klar, es ist nicht wissenschaftlich bewiesen, dass man wegen dieser Tampons Krebs bekommt. Trotzdem gibt es ein Risiko. Das ist wie mit Feinstaub. Es ist schon komisch, dass diese Produkte Stoffe enthalten, die anderswo verboten sind.

Sie sind also misstrauisch? Was müsste passieren?

Barth: Ja, natürlich. Wenn diese Inhaltsstoffe in Feuchtigkeitscremes verboten sind, dann, weil sie nicht gut sind. Regelprodukte sind die einzigen Kosmetikprodukte, für die es keine klaren Vorschriften gibt.** Es bräuchte ein Gesetz, das die Hersteller dazu zwingt, zu sagen, aus was ihre Produkte hergestellt sind. Und ein Gesetz, das den Anteil der Stoffe, die für Frauen auf lange Sicht giftig sein könnten, begrenzt.

Mal abgesehen von der Gesetzesebene ist einiges in Bewegung in Frankreich: Eine Petition, die verlangte, dass der Marktführer „Tampax“ transparent macht, aus was seine Tampons bestehen, bekam 260.000 Unterschriften. Seit 2016 gilt für Menstruationsprodukte ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von 5,5 Prozent. Zudem gab es die Studie und die Medienberichte über Gifte in Tampons und Binden. Es gibt anscheinend ein Bewusstsein für das Thema.

Barth: Presse und Bloggerinnen haben gute Arbeit geleistet. Das hat viele Frauen dazu bewegt, über das Thema zu sprechen. Wir sehen das auch an unseren Kundinnen.

Wie groß ist Ihr Kundenstamm mittlerweile und wer sind Ihre Kundinnen?

Mazeyrat: Wir haben zwischen 2.500 und 3.000 Kundinnen, davon sind 70 Prozent Abonnentinnen.

Barth: Sie leben in ganz Frankreich. Es gibt kein spezielles Profil. Die Palette reicht von Müttern, die für ihre zwölfjährigen Töchter bestellen, bis hin zu 50-Jährigen.

Mazeyrat: Das sind nicht nur Kundinnen aus höheren Schichten, sondern auch Frauen, die für das Thema besonders sensibel sind. Es geht um Gesundheit. Wie bei Bio-Lebensmitteln, die werden auch nicht nur von Wohlhabenden gekauft.

Ihre Produkte sind mit 5,90 Euro für eine Packung mit 18 Tampons oder zehn Binden allerdings teurer als Nicht-Bio-Marken. Sind sie damit nicht Luxusprodukte?

Barth: Ja, gezwungenermaßen. Für jemanden, der 800 Euro im Monat verdient, wird es schwierig, zu unserer Abonnentin zu werden. Das wollen wir ausgleichen, indem wir einen Teil unserer Einnahmen an Hilfsorganisationen spenden. Wir haben unsere Preise knapp kalkuliert, wir können nicht weiter runtergehen. Wenn wir weiter wachsen, ist das vielleicht in Zukunft möglich.

* „Menstruationsurlaub“ sind zusätzliche Urlaubstage für Frauen, die mit einem ärztlichen Attest nachweisen können, dass sie durch starke Regelschmerzen eingeschränkt sind. In einigen asiatischen Ländern wie Japan, Indonesien und Südkorea ist das möglich, auch in Sambia gibt es so eine Regelung. In Italien wurde im vergangenen Jahr über Menstruationsurlaub debattiert. Es ist allerdings umstritten, ob die Maßnahme nicht eher dazu führt, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden.

** Die französische Verbraucherschutzbehörde präzisiert: Menstruationsprodukte unterliegen den allgemeinen EU-Richtlinien für Produktsicherheit. Anders als für andere Kosmetikprodukte gibt es für Tampons und Binden aber keine spezifischen Richtlinien für Inhaltsstoffe und damit auch keine Grenzwerte für chemische Stoffe wie Pestizidrückstände wie Glyphosat, für Dioxine oder Weichmacher. Bei einer Untersuchung 2017 sei festgestellt worden, dass diese Stoffe in „sehr schwacher Konzentration“ in einigen Tampons und Binden enthalten seien. Laut der Behörde stellen diese Produkte damit keine „schwere und unmittelbare“ Gefahr für die Nutzerinnen dar. Die Umweltschutzbehörde kommt zu dem gleichen Ergebnis, empfiehlt aber, EU-Richtlinien für Menstruationsprodukte aufzustellen, um die Konzentration chemischer Stoffe einzudämmen.

Stellungnahme Umweltschutzbehörde: https://www.anses.fr/fr/content/evaluation-de-la-s%C3%A9curit%C3%A9-des-produits-de-protections-intimes

Stellungnahme Verbraucherschutzbehörde: https://www.economie.gouv.fr/dgccrf/securite-des-produits-dhygiene-feminine

 

Weitere Informationen über „Juste & Honnête“ (JHO):

Barth und Mazeyrat haben im September 2017 begonnen, an der Firmengründung zu arbeiten. Seit April 2018 verkaufen sie Tampons und Binden im Online-Shop. Kundinnen können ein Abo abschließen oder einzelne Packungen bestellen. Die Produkte bestehen laut den Unternehmerinnen fast vollständig aus Naturprodukten und Bio-Baumwolle, enthalten keine chemischen Zusatzstoffe und sind nicht chlorgebleicht. Die Tampons seien derzeit noch in einer Plastikhülle verpackt, so die Gründerinnen. Aber sie würden an einer Papierverpackung arbeiten.

Die Zertifizierung durch zwei Siegel und ein Labor soll garantieren, dass die Produkte keine chemischen Stoffe enthalten. Ein Teil der Einnahmen fließt laut „JHO“ an zwei Hilfsorganisationen. Barth und Mazeyrat gehen davon aus, dass ihr Unternehmen ab März 2019 so rentabel ist, dass sie sich für ihre Vollzeitarbeit ein Gehalt auszahlen können. Offenbar steigt das Bewusstsein für potentielle Gefahren durch Regelprodukte in Frankreich: Neben JHO gibt es mittlerweile weitere Firmen, bei denen man Tampons und Binden im Abo bestellen kann.

 

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Von Carolin Küter, Lyon

Carolin Küter lebt seit 2014 im französischen Lyon. Als freie Nachrichtenredakteurin beim TV-Sender “euronews” berichtet sie über internationale Politik. Als Autorin hat sie bisher vor allem für den “Weser-Kurier” aus Bremen gearbeitet. In ihren Reportagen, Interviews und Analysen berichtet sie, abseits der Hauptstadt Paris, über Themen aus Politik, Gesellschaft und Kultur.

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