Joyce Chiluba ist die erste Frau, die in Sambia eine Anti-Wilderei-Einheit leitet. Mit ihrer Spürhündin Icke jagt die 30-Jährige Wilderer im North-Luangwa-Nationalpark und schützt bedrohte Tiere.
Von Helena Kreiensiek, Lusaka
Zusammenfassung:
Joyce Chiluba ist die erste Frau in Sambia, die eine Anti-Wilderei-Hundestaffel leitet. Gemeinsam mit ihrer Spürhündin Icke spürt sie im North-Luangwa-Nationalpark Schmuggelware wie Elfenbein, Tierhäute und Waffen auf. Trotz großer Widerstände in einer männlich dominierten Branche hat sie sich durchgesetzt und ist heute ein Vorbild für junge Frauen im Naturschutz. Unterstützt wird sie von Netzwerken wie „Women for Conservation“, die Frauen im Tierschutz stärken. Ihr Einsatz ist Teil eines größeren Kampfes gegen Wilderei und für den Schutz bedrohter Arten in Afrika.
Mit einem aufgeregten Jaulen springt Icke an Joyce Chiluba hoch. Die deutsche Schäferhündin schleckt der Sambierin die Hand ab und dreht sich mehrfach vor Freude um sich selbst. Ein weiterer kleiner Hüpfer und ein Bellen folgen, während Joyce Chiluba geduldig Ickes Leine aufnimmt. Dann spitzt die Hündin die Ohren. Sie weiß genau, dass jetzt ihr Lieblingsspiel beginnt: Die Suche nach Schmuggelware.
Elfenbein, Wildfelle, Nashorn, Munition: Was für Icke ein spannendes Spiel ist, ist Teil der Strategie von Sambias Nationalparks, um ihren Tierbestand zu schützen. Denn der Binnenstaat im südlichen Afrika ist eines der Drehkreuze für den Schmuggel von Elfenbein und anderen wertvollen Wildtieren in der Region. Der Park im Nordosten des Landes ist bekannt für seine große Büffelpopulation, Löwenrudel und eine wachsende Zahl von wieder angesiedelten Spitzmaulnashörnern. Auch Leoparden, Elefanten, Hyänen, Zebras und unzählige Antilopen sind in dem Park unweit der Grenze zu Malawi beheimatet.
Die Vielfalt und Abgeschiedenheit lockt Safari-Tourist*innen aus aller Welt an. Doch die dichte Vegetation, die wenigen Straßen und die abgelegene Lage macht es auch Kriminellen leicht, unbemerkt in den Park einzudringen. Besonders Nashörner und Elefanten geraten immer wieder ins Visier von Wilderern, da ihre Hörner und Stoßzähne auf dem Schwarzmarkt hohe Preise erzielen. Auch Schuppentiere und Wildkatzenfelle sind häufige Schmuggelware.

Wilderer im Visier
2014 wurde in Sambia daher die erste K9-Einheit eingerichtet. Das Kürzel, abgeleitet von dem englischen Wort canine (zu Deutsch: hundeartig, hündisch), bezeichnet eine spezialisierte Hundestaffel, die sich dem Aufspüren von Wilderern und illegalen Wildtierprodukten widmet. Seit drei Jahren nun leitet mit Joyce Chiluba erstmals eine Frau die Spezialeinheit. Die Arbeit ist hart: Abgelegene Standorte, lange Fußmärsche und mehrtägige, oft riskante Einsätze gehören zu ihrem Alltag. Damit ist die junge Frau eine Ausnahme in einer Branche, die nach wie vor als Männerdomäne gilt.
Tiere seien schon immer ihre große Leidenschaft gewesen, erzählt sie. Aufgewachsen im Grenzgebiet des North-Luangwa-Nationalparks hätten die Wildtiere und die Natur schon immer eine Faszination auf sie ausgeübt. „Eines Tages haben wir in der Schule eine Infoveranstaltung zum Thema Naturschutz gehabt“, erinnert sie sich. Ein prägender Moment.
Chiluba beschließt, sich künftig für den Schutz der Wildtiere einzusetzen. „Als ich mich dann aber für eine Ausbildung einschreiben wollte, haben meine Eltern gelacht und gesagt, dass das zu schwer sei für mich“, erzählt sie. Der Umgang mit Hunden, die als unsauber angesehen würden, aber auch die körperliche Arbeit sei nicht passend für die junge Frau – so damals die Sorge Eltern. Auch das drohende Gerede im Dorf habe sie beunruhigt, berichtet Joyce Chiluba.
Ermutigung aber gab es durch die Naturschutzbehörde. „Meine Mentoren haben mir immer wieder gesagt, dass ich es schaffen kann, wenn ich nur daran glaube.“ Die Ausbildung sei körperlich und mental fordernd gewesen, doch Aufgeben war keine Option. Sie erzählt, sie wollte zeigen, dass Frauen diese Arbeit genauso gut machen können wie Männer.
„Wir versuchen ein 50-50-Verhältnis von Männern und Frauen anzustreben, aber es ist nicht einfach“, berichtet Paimolo Bwayala. Er ist Kommandeur einer Einheit, die auf die Überwachung der Nashornpopulation im North-Luangwa-Nationalpark spezialisiert ist und ein Kollege von Joyce Chiluba. Beide widmen sich voll und ganz dem Naturschutz. „Mit Joyce haben wir ein Vorbild für junge Frauen, sich uns anzuschließen“, sagt er.

Ein Netzwerk für Frauen
Doch das Rekrutieren von Frauen für die Arbeit als Ranger, noch dazu in einer Spezialeinheit wie der der Hundestaffel oder der Schutzgruppe für Nashörner, sei dennoch schwer. Statistisch gesehen sind nur 13 Prozent aller Führungspositionen in Sambia von Frauen besetzt. Trotz verfassungsrechtlicher Vorgaben und einer auf die Gleichstellung der Geschlechter ausgerichteten Regierungspolitik liegen die sambischen Frauen in einer Vielzahl von Bereichen weiterhin hinter den Männern zurück, heißt es dazu in einem Bericht des Umfrageinstituts „Afrobarometer“.
Diese kommt zu dem Schluss, dass sich 65 Prozent der Befragten wünschen, es würde mehr für die Rechte von Frauen getan werden. Gerade der Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten fördere nämlich laut dem Bericht die Abhängigkeit von Partnern oder männlichen Familienmitgliedern. Traditionell werde von Frauen erwartet, dass sie Hausfrauen, Mütter und Ehefrauen seien. Der Umgang mit Waffen und die Jagd nach Kriminellen passen weniger zu den klassischen Rollenvorstellungen.
Doch genau diesen Alltag hat sich die Joyce Chiluba ausgesucht. Unter ihrer Leitung konnte die K9-Unit in den vergangenen drei Jahren mehr als 1000 Verhaftungen durchführen und mehr als 700 illegale Waffen beschlagnahmen. Die sambische Nichtregierungsorganisation „Wildlife Crime Prevention“ (WCP) setzt sich für einen integrativen Ansatz im Naturschutz ein. Mit der Initiative „Women for Conservation“ soll ein unterstützendes Netzwerk für sambische Frauen im Naturschutz geschaffen werden, berichtet WCP-Mitgründerin Sarah Davies.
Das Netzwerk fördere die Zusammenarbeit, den Wissensaustausch und die berufliche Entwicklung und biete über 500 Frauen die Möglichkeit, ihre Karriere voranzutreiben. Dabei werden Veranstaltungen zur Vernetzung von Frauen untereinander durchgeführt, es gibt ein Mentoringprogramm und Empowerment-Trainings, sowie Schulungen für Frauen in Führungspositionen.

Mit Spürnase zum Erfolg
Dass Frauen eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Wilderei übernehmen können, beweist Joyce Chiluba mit ihrer vierbeinigen Partnerin Tag für Tag. Zwischen 2022 und 2024 konnte das Duo 92 Verhaftungen durchführen. Ganze 32 Gerüche könne der Spürhund erkennen, darunter verschiedene Tierhäute, Waffen, Munition, Nashornhorn und Elefantenelfenbein. „Egal wo Sachen versteckt sind, Icke wird es immer finden“, ist die Rangerin überzeugt.
Um Ickes feine Nase zu demonstrieren, hat sie zwei Gläser mit Schraubdeckel versteckt. In einem befindet sich ein Stück Elefantenhaut, im anderen ein Stück Hyänenfell, die Hündin Icke gleich aufspüren soll. Die weiß genau, was Joyce Chiluba von ihr möchte. Wenige Sekunden nach dem Startkommando hat die Hündin die feuchte Nase bereits auf dem Boden. Im Zickzack läuft das Duo das Gelände ab. Auf einmal wird der Kurs zielstrebig: Die Hündin hat die Fährte aufgenommen und setzt sich plötzlich hin. Sie hat etwas gefunden.
Joyce Chiluba kann ihre Freude darüber nicht verbergen. Sie lacht, bückt sich und holt das Glas mit Elefantenhaut unter einem Berg von Laub und Ästen hervor. „Icke findet alles“, bekräftigt die 30-Jährige, bevor das zweite Glas gesucht wird. Als Hundetrainerin ist es eine ihrer Aufgaben, genau diese Suchspiele regelmäßig zu trainieren – damit im Ernstfall alles reibungslos klappt. Zu den wichtigsten Funden, die Chiluba mit Icke erreicht hat, gehören Waffen und ein lebendes Schuppentier.
Pangoline, wie die Säugetiere auch genannt werden, sind aufgrund ihrer Schuppen, die als traditionelle Medizin oder als Statussymbole in einigen Kulturen geschätzt werden, ein häufiges Ziel von illegalen Jägern. Auch ihr Fleisch gilt als Delikatesse.
Tatsächlich zielen Wilderer nicht nur auf Elfenbein oder Nashorn ab. Ein großer Teil betrifft auch das Fleisch wilder Tiere wie Kudus, Büffel oder Warzenschweine. Während einige Menschen aus Not auf Wildfleisch angewiesen sind, treibt vor allem die hohe Nachfrage in Städten und wohlhabenderen Kreisen die illegale Jagd nach der Delikatesse an.

Kampagnen, um zu sensibilisieren
„Eine Maßnahme sind regelmäßige Patrouillen, das andere ist die Sensibilisierung dafür, dass die Tiere wertvoller sind, wenn sie am Leben sind“, berichtet Sarah Davies von WCP. Dazu veranstaltet die Organisation in regelmäßigen Abständen Workshops in den angrenzenden Dorfgemeinschaften und Schulen. Doch auch landesweite Kampagnen gehören dazu. „Bei der ,Worth More Alive‘-Kampagne zum Beispiel haben wir lebensgroße Skulpturen an den international Flughäfen in Sambia aufgestellt, um Reisende über die Bedeutung der sambischen Wildtiere, die Wichtigkeit ihres Schutzes und die rechtlichen Konsequenzen von Wilderei aufklären. Wir haben Informationen bereitgestellt, wie mutmaßliche Wildtierverbrechen erkannt und den zuständigen Behörden gemeldet werden können“, erklärt Davies.
Auch Deutschland engagiert sich aktiv im Schutz der Wildtiere und unterstützt zahlreiche Projekte in Sambia und der Region. Über die KfW-Entwicklungsbank fließen zum Beispiel Gelder in den Aufbau von Anti-Wilderei-Einheiten, die Ausstattung von Rangern sowie in Maßnahmen zur Förderung nachhaltigen Tourismus. Ziel ist es, nicht nur Wilderei zu bekämpfen, sondern auch alternative Einkommensquellen für die lokale Bevölkerung zu schaffen. „Langfristig kann Naturschutz nur funktionieren, wenn die Menschen vor Ort einen direkten Nutzen daraus ziehen“, sagt Nils-Henning Meyer von der KfW dazu.
Auch die K9-Unit von Joyce Chiluba wird durch Entwicklungshilfegelder aus Deutschland unterstützt. Heute gibt es im Dorf kaum noch Getuschel über Joyce Chiluba. Ihre Eltern jedenfalls, die einst so skeptisch waren, sind heute stolz auf ihre Tochter. Denn die hat es mit Disziplin und Durchhaltevermögen bis an die Spitze der K9-Unit geschafft hat und ist zu einem Vorbild für andere Mädchen und Frauen geworden. Chiluba hat noch einen weiteren, ganz persönlichen Antrieb: „Mein Ziel ist, dass meine Ur-Ur-Enkel diese Schönheit auch noch zu sehen bekommen.“

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