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Lerne inspirierende Frauen weltweit kennen.

Zwischen Disneyland und Hirsebier
Fünf Korrespondentinnen berichten über Heiratsrituale

In vielen afrikanischen Kulturen wird weiterhin ein Brautpreis gezahlt - für Frauenorganisationen ein "Kuh-Handel". Foto: Simone Schlindwein

“Der schönste Tag im Leben” soll er sein und allen möglichst lange in Erinnerung bleiben. Weltweit sind die Ansprüche an den Tag der Eheschließung eines Paares hoch. Eine Heirat wird festlich gestaltet,  die Feierlichkeiten enthalten unzählige Riten. Unsere Korrespondentinnen berichten über die Traditionen rund um den Bund fürs Leben in Japan, Israel, Afghanistan, Indien und Uganda.

Von Sonja Blaschke, Japan

SonjaBeim Heiraten zeigt sich in Japan deutlich, wie wenig engstirnig Japaner beim Thema Religion sind. Obwohl sie mehrheitlich Buddhisten sind und sich gleichzeitig der japanischen Urreligion Shinto nahe fühlen, heiraten viele im christlichen Stil im weißen Kleid und Anzug wie im Hollywood-Film. Dazu buchen sie eine pseudo-christliche Zeremonie in einer Hochzeitskapelle, die europäisch wirken soll, aber meist wie Disneyland aussieht. Alles, was zählt, ist der schöne Schein. Der Priester hat nie Theologie studiert: Es handelt sich schlicht um einen Europäer oder Amerikaner, der ein wenig schauspielern kann.

Wer es traditioneller möchte, heiratet noch im Kimono im Shinto-Schrein, begleitet von Musikern mit althergebrachten Instrumenten und unter Genuss von Reiswein nach Protokoll aus edlem Lackgeschirr. Doch spätestens beim zweiten Teil, der Feier für Verwandte, Kollegen und Freunde, schlüpfen die meisten in westliche Kleidung. Da dieser häufig in einem teuren Hotel stattfindet, fallen hohe Kosten an. Deshalb ist es üblich, dass die Gäste eine Gebühr zahlen, die meist in der Einladung steht. 50.000 Yen (400 Euro) für sehr enge Freunde, 30.000 Yen (245 Euro) in einer sehr edlen Location, 10.000 Yen (80 Euro) für eine legerere Feier. Gerade Zahlen sind verpönt – diese wären zu leicht teilbar und stehen daher im übertragenen Sinn für die Gefahr, dass sich das Paar so leichter wieder trennen könnte.

Die Veranstaltungen sind häufig vom Veranstaltungsort auf maximal zwei Stunden terminiert. Daher führen meist zwei Moderatoren im Fünfminutentakt durch ein straffes Programm mit Reden sowie Brautstrauß- und Strumpfbandwerfen – alles keine japanischen Bräuche.

Je nach Höhe der Gebühr dürfen die Gäste nach der Veranstaltung ein Geschenk erwarten, was wiederum sehr japanisch ist. Vom Wedgwood-Tellern über gedruckte Adressbücher von Edelmarken bis zu bei „billigen“ Feiern hübsch verpackten Süßigkeiten: Ohne Dankes-Geschenk geht kein Hochzeitsgast nach Hause oder weiter zur „Nijikai“, der Feier nach der Feier. Während das Brautpaar verschwindet, meist um separat mit den Schwiegereltern zu speisen, ziehen feierlustige Hochzeitsgäste häufig in Eigenregie weiter.


Von Mareike Enghusen, Israel

MareikeHigh-Tech-Nation und Gay Parade hin oder her, die Hochzeit ist in Israel eine durch und durch traditionelle Angelegenheit: Der Rabbiner verheiratet die jüdischen Paare, der Imam die Muslime, der Pfarrer die Christen. Eine junge Israelin mag ihr Leben lang auf sämtliche Speiseregeln und Feiertage pfeifen – an ihrem Hochzeitstag kommt sie an der religiösen Zeremonie nicht vorbei (es sei denn, sie verlegt die Feier kurzerhand nach Zypern, wie es vor allem interreligiöse und homosexuelle Paare tun – der israelische Staat erkennt im Ausland geschlossene Hochzeiten an).

Jüdische Frauen müssen vor dem Hochzeitstag ein rituelles Bad in der sogenannten Mikweh nehmen, einem tiefliegenden Wasserbecken, traditionell gefüllt mit Grund- oder Regenwasser, heutzutage meist gereinigt und geheizt. Am Hochzeitstag selbst unterzeichnen Braut und Bräutigam die Ketubba, den traditionellen jüdischen Ehevertrag; er schreibt unter anderem fest, womit der Mann seine Ehefrau versorgen muss – namentlich Nahrung, Kleidung und Geschlechtsverkehr – und welche Geldsumme er ihr im Falle einer Scheidung schuldig ist. Heutzutage passen viele nichtorthodoxe Juden den traditionellen Text an moderne Ideale von Gleichberechtigung an. Anschließend tritt das Paar unter die Chuppah, einen weißen Baldachin, der das neue Haus symbolisiert, das mit der Hochzeit gegründet werden soll. Ein Rabbiner spricht verschiedene Segenssprüche, der Mann streift der Frau den Ring über und zerbricht am Ende der Zeremonie ein Glas – eine Erinnerung an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem.

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Foto: WikiCommons

Was danach passiert, hängt von Herkunft, Lebensstil und Grad der Religiosität der frisch Vermählten ab: Auf ultraorthodoxen Hochzeiten feiern Männer und Frauen getrennt; russisch-, orientalisch- und europäischstämmige Juden bringen ihre eigenen musikalischen und kulinarischen Gewohnheiten mit. Säkulare Hochzeiten sind oft bombastische Feiern mit mehreren hundert Gästen, die früher oder später in riesigen Dance-Partys enden. Das Buffet ist üppig, die Festsäle auch, gespart wird an nichts – außer am Styling. Da bleiben sich die meisten, zumal die männlichen, Israelis treu, Formalität ist ihre Sache nun mal nicht: Trekking-Sandalen und kurzärmeliges Karo-Hemd sind auf vielen nicht-orthodoxen Hochzeiten ein völlig akzeptables Outfit.


Von Veronika Eschbacher, Afghanistan

VeronikaMurtaza ist geknickt. Der 24-jährige afghanische Tischler sitzt abends im Halbdunkel mit seinen Freunden beisammen, sie spielen abwechselnd Karten und Snake am Handy. Viel lieber würde Murtaza seine Abende mit einer Ehefrau verbringen. Doch davon kann er nur träumen, und das wird wohl noch über Jahre so bleiben, denn er ist der Drittgeborene von fünf Söhnen. Und noch nicht einmal sein ältester Bruder, 30, ist verheiratet – der Familie fehlt das nötige Geld.

Obwohl Afghanistan ein armes Land ist, sind die Ausgaben für Hochzeiten enorm. Auf 5000 Euro, so schätzt Murtaza, würde die seines ältesten Bruders kommen. Immerhin ist das ganze Dorf einzuladen, alle Verwandten und jeder, der einen einmal eingeladen hat. Manche Familien geben auch 30.000 Euro aus. Oft bringen die Geladenen noch selbst Gäste mit. Diese nicht zu versorgen, gilt in dem gastfreundlichen Land als unehrenhaft und würde der Familie Schande bringen. Eine ausgiebige Hochzeit demonstriert auch die Ergebenheit an die Gemeinschaft und Sippe.

Um die hunderten Gäste zu beherbergen, schossen in den vergangenen Jahren in Kabul dutzende Hochzeitshallen aus dem Boden. Sie haben glitzernde Tapeten, Marmorfließen, sind außen mit Neon-Röhren beleuchtet und tragen schillernde Namen wie „Kabul-Paris Wedding Hall“. Frauen und Männer werden üblicherweise durch eine hohe Plastikwand, die die runde Halle durchschneidet, getrennt. Via Videowall wird der Auftritt der Band und Trommler auch in den Frauenteil übertragen. Das Brautpaar wechselt hin und her. Zur eigentlichen Trauung, Nikkah, geht es zumeist aber in einen Nebenraum, wo das Paar alleine mit einem islamischen Gelehrten und drei Zeugen in einem Gespräch die Ehe schließt.

Weibliche Gäste verbringen vor Hochzeiten oft den ganzen Vormittag in Schönheits-Salons und lassen sich kunstvoll die Haare hochstecken und aufwändiges Make-up auftragen. Vor allem jüngere Frauen in den afghanischen Städten tragen oft europäische Abendkleider, eng anliegend und mit Dekolleté. Die Hände der engsten Verwandten der Braut sind von der der Hochzeit vorausgehenden Henna-Nacht, in der traditionelle afghanische Kleidung getragen wird, kunstvoll mit Henna verziert.

Nicht selten wird für die Hochzeit auch Alkohol aufgetrieben. Der wird aber zumeist heimlich am Parkplatz im Auto konsumiert. Zu späterer Stunde kann es dann durchaus vorkommen, dass ein paar Männer in den Frauenteil hinübertanzen. Hochzeiten dauern aber nie die ganze Nacht an. Nach dem Essen, das zumeist um 21 Uhr beginnt, ist Schluss. Oft ist der Bräutigam nach dieser Nacht jahrelang verschuldet.

Die Braut in Kabul trägt heute oft zwei Kleider: anfangs ein grünes – die Farbe des Islam. Später schlüpft sie oft auch in ein weißes, um den Rest der Hochzeit in diesem zu zelebrieren. Sie ist dazu angehalten, am Tag ihrer Vermählung nicht zu lachen – immerhin ist dies der Tag, an dem sie ihr Elternhaus verlässt.


Von Simone Schlindwein, Uganda

SimoneIn vielen afrikanischen Kulturen ist es vor der Hochzeit immer noch üblich, einen Brautpreis zu bezahlen. Anders als bei der Mitgift, das der Braut mitgegeben wird, muss beim Brautpreis der zukünftige Ehegatte einen Preis an den Vater der Braut bezahlen. Traditionell besteht dieser Preis aus Rindern und Ziegen, Säcke voller Reis oder Bohnen. Einen „Kuh-Handel“ nennen dies Frauenorganisationen in Uganda und fordern immer wieder, diese Tradition ein für alle Mal abzuschaffen.

Doch selbst viele junge moderne und aufgeklärte Frauen halten nach wie vor daran fest. So auch Ester Mutunda: Die 28-Jährige Lehrerin hat ausdrücklich auf diese Feier bestanden. In einem traditionellen Kleid erwartet sie im Garten ihres Familienhauses mit ihren Eltern, Geschwistern, Tanten und Onkeln auf die Ankunft ihres Verlobten. Dieser fährt mit seinen Verwandten im Schlepptau mit einem Kleinlastwagen vor: Tonkrüge voller Hirsebier, Bananenstauden, ein Schaukelstuhl für den Vater, Hühner für die Mutter, aber auch Fernseher und eine Musikanlage werden abgeladen.

„In unserer Kultur verstehen wir das nicht als Preis, sondern als Geschenke, die den Wert der Frau ausdrücken“, sagt Julia Nakabiito, die beste Freundin der Braut.

Geschenke im Hof
Die Geschenke stapeln sich im Hof. Foto: Schlindwein

Die Familie der Braut jubelt und klatscht, während die Verwandten des Bräutigams den Garten betreten. Stolz tragen sie die Geschenke vor sich her: Pakete und Körbe verpackt in Glitzerpapier. Die Eltern der Braut sitzen in großen Sesseln im Schatten eines Baumes. Die Geschenke werden vor ihnen niedergelegt. Der Brautvater lehnt sich in seinem Sessel zurück und macht einen zufriedenen Eindruck.

Auch die Familie des Bräutigams wirkt glücklich, der Handel ist sozusagen besiegelt: „Der zukünftige Gatte drückt der Familie seiner Verlobten Dank aus, dass sie wohl erzogen ist, eine Ausbildung hat und gesund aufgewachsen ist“, erklärt James Omek, der Bruder des Bräutigams. Solange dies eine symbolische Geste sei, fände er die Tradition gut. Doch es gäbe Grenzen, erzählt er: „Manche stürzen sich dabei in Unkosten und bringen Autos. In armen Familien auf den Dörfern verlangen die Väter sehr viel. Dort gibt es sogar Rechtsstreite, die vor Gericht ausgefochten werden. Denn, kommt es zur Scheidung des Ehepaars, dann verlangt der Mann vom Vater seiner Braut den Brautpreis zurück.“

Kein Wunder, dass Frauenrechtsorganisationen wie Mifumi immer wieder auf die Barrikaden gehen. Sie will den Brautpreis per Gesetz verbieten. Mifumi ist der Name eines kleinen Dorfes in Ostuganda – wo sich vor 15 Jahren Frauen im Kampf gegen den Brautpreis zusammengeschlossen hatten. Sie überzeugten damals die Dorfvorsteher und die Gemeindemitglieder stimmten mehrheitlich dafür, die Tradition des Brautpreises einzustellen. Seitdem kämpft Mifumi in ganz Uganda: 2007 zogen die Organisation vor das Verfassungsgericht, erzählt Mary Ajoot von Mifumi. Ihr Ziel: Frauen endlich das Recht zu geben, gleichberechtigt neben ihren Männern zu stehen. 2010 sprach sich der Höchste Gerichtshof  in einer Revision für den Erhalt des Brautpreises aus. Ein erster Sieg gelang erst 2015: Da verbot das Gericht zumindest die Forderung, bei einer Scheidung sei der Brautpreis zurück zu zahlen. Dies gibt Frauen, die sich scheiden lassen wollen, die Möglichkeit, dies auch zu tun, ohne dass es teuer wird.


Von Lea Gölnitz, Indien

Lea GölnitzVon Oktober bis Februar ist Hochzeits-Saison in Nordindien. Die Baraat, Hochzeitsprozessionen, sind in diesen Monaten weder zu übersehen, noch zu überhören. Familien, Freunde und Nachbarn ziehen lautstark mit dem Bräutigam durch die Straßen. Der künftige Ehegatte thront über ihnen auf einem Pferd – oder einem Elefanten, wenn er reich ist.

Für eine Heirat wird ausgiebig Zeit eingeplant. Die Feierlichkeiten dauern zwei bis vier Tage. Dabei wird ein straffes Programm mit Gebeten, Tanz, Ritualen wie Henna-Bemalung absolviert. Ein Empfang für oft mehr als tausend Gäste sind vor allem in der Mittel- und Oberschicht Standard.

Das wichtigste Hindu-Ritual bei der Hochzeit ist Saptapadi (Sieben Schritte). Es findet meist nach Mitternacht oder ganz früh morgens statt. Familie und engere Freunde sind anwesend, wenn das Brautpaar sieben Schritte um ein „heiliges“ Feuer geht. Nach Umrundung der Flammen sind die beiden Pati und Patni Ehemann und Ehefrau. Das Hindi-Wort für Ehemann bedeutet auch Besitzer.

Der Großteil der Hindu-Ehen ist nach wie vor arrangiert. Junge Inder und Inderinnen registrieren sich auf einer von hunderten Hochzeitspartnerbörsen wie Shaadi oder schalten Anzeigen in der Zeitung, um ihren Zukünftigen zu finden. Durch die Nutzung des Internets geht die Suche zwar heute über den Bekanntenkreis der Familie hinaus, die Eltern aber helfen weiter fleißig beim Ausfüllen des umfangreichen Onlineprofils und engagieren sich vor allem bei der Auswahl des Mannes.  Die Auswahlkriterien sind Religion, Kaste, Beruf, Einkommen und Status, aber auch Horoskop und Aussehen. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2014 sind nur fünf Prozent der Ehen zwischen zwei verschiedenen Kasten.

Als modern gilt, wenn die Tochter mehrere Männer ablehnen kann und somit mehr Auswahl hat. Das wird dann „halb-arrangierte“ Ehe genannt. Das erste und auch oft einzige Kennenlernen vor der Hochzeit findet zusammen mit der Familie statt. Überhaupt nicht zu heiraten oder sich mit jemandem zu vermählen, der nicht den Auswahlkriterien der Eltern entspricht, ist eher selten. Letzteres kann auch gefährlich sein. Eine „Love Marriage“ – Liebesheirat – ohne Einmischung Dritter ist etwas Besonderes und wird mit einer Mischung aus Skepsis und Bewunderung beurteilt.

Vor allem im Norden Indiens kommt es immer wieder zu Ehrenmorden, wenn Töchter heiraten, wen sie möchten. Nichtregierungsorganisationen gehen von hunderten von Ehrenmorden pro Jahr aus. Gesellschaftliche Akzeptanz für die Morde hilft dabei, sie zu vertuschen. Erst 2007 wurden im Fall des Manoj–Babli Ehrenmords zum ersten Mal die Täter als Mörder verurteilt. Die Initiative „Love Commando“ hilft seit 2010 Paaren bei der Flucht vor ihren Familien. Sie betreiben eine Hotline, bieten kostenlose Beratung, geheime Notunterkünfte und Hilfe, die heimliche Hochzeit zu realisieren.

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Sabrina ProskeMünchen
Saado Ali* ist eine junge Mutter aus Nordsomalia. Sie flieht hochschwanger mit ihrem kleinen Sohn Yusuf vom Krieg. Zwischen provisorischen Zelten und Planen setzen plötzlich ihre Wehen ein. Mit uns spricht sie erstmals über ihre Erfahrungen als Schwangere in einem Kriegsgebiet.

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