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Frauen im Alter
Wie die Frauenwelt ihren Lebensabend verbringt

Das Ansehen und die Macht afghanischer Frauen steigt mit ihrem Alter. Foto: Veronika Eschbacher

Wie gestalten Frauen ihren Lebensabend? Wann beginnt dieser, und wie wird er finanziert? “Deine Korrespondentin” hat einen Blick auf das Thema Frauen im Alter in Afghanistan, Frankreich und den USA geworfen.

Von Veronika Eschbacher, Kabul

VeronikaEs klopft am dunkelbrauen Tor eines Hauses im Südwesten Kabuls. Als ein Junge öffnet, tritt eine Frau in der Burka von der staubigen, lauten Straße in den blühenden Garten. Kaum ist das Tor wieder ins Schloss gefallen, wirft die zierliche Gestalt die Burka zurück und gibt so ihr schmales, faltiges Gesicht und ein sanftes Lächeln preis. Massum, der Hauseigentümer, erwartet Leyla wie jede Woche um diese Zeit zu Tee auf seiner Terrasse. Sie liebt es, ihn regelmäßig zu besuchen und sich mit ihm auszutauschen. Gleichzeitig hat sich der 55-jährige Massum noch nie beschwert, wenn die alte Frau, die nur noch einen einzigen Zahn hat, in aller Gemütlichkeit eine Slim-Zigarette bei ihm raucht.

Wie alt Leyla ist, weiß sie selbst nicht. „Ich glaube fünfzig, ich könnte aber auch sechzig Jahre alt sein“, sagt sie und zuckt mit den Schultern. In Europa würde man die Frau auf 80 Jahre schätzen. In Afghanistan erreichen aber nur die wenigsten Frauen ein derart hohes Alter. Insgesamt waren im Jahr 2015 nur vier Prozent der Bevölkerung älter als 60 Jahre. Die durchschnittliche Lebenserwartung von afghanischen Frauen liegt laut CIA World Factbook bei lediglich 51,47 Jahren. Nur der Tschad ist das einzige Land weltweit, in dem Frauen noch früher sterben (mit 50,66 Jahren). Das hat viele Gründe – einerseits der seit fast 40 Jahren andauernde Bürgerkrieg, der jährlich tausende zivile Opfer fordert; vor allem aber fehlende Gesundheitseinrichtungen und die hohe Geburtenrate (mehr als sechs Kinder pro Frau) bei gleichzeitig weltweit höchster Müttersterblichkeit. Aber auch, dass viele Frauen im Haushalt – der oft zehn Personen und mehr umfasst – und in ruralen Gebieten in der Landwirtschaft täglich sehr harte, körperliche Arbeit verrichten.

Die allerwenigsten älteren Frauen erhalten eine Rente – laut Global Age Watch Index erhalten im Land am Hindukusch nur zehn Prozent der Bevölkerung im Alter ab 65 Jahren eine Alterssicherung. Vielmehr kommen die ältesten Kinder – zumeist die Söhne – für den Lebensunterhalt auf.

So wie im Falle Leylas wird das Leben für Frauen oft erst weniger hart, wenn ihre Söhne heiraten und eine Schwiegertochter einen Teil der Aufgaben, darunter die Pflege von älteren Familienmitgliedern, übernimmt.

Mit dem Alter wächst auch die Stellung und die Macht der Frau innerhalb der Familie. In den meisten afghanischen Familien hat die älteste Frau im Haus das Sagen über neuverheiratete Paare. Es gilt als höchst respektlos, die Meinung und den Willen einer älteren Person zu missachten und ihr zu widersprechen. Viele junge Afghanen, die die Befehle der Mutter und Schwiegermutter befolgen müssen, halten diese Tradition für sehr schwierig. Denn nicht selten wird diese von den älteren Frauen (die oft selbst jahrelang unter psychischer und physischer Gewalt litten) für familieninternen Terror und Schikane missbraucht. Immer wieder gibt es Berichte über gewalttätige ältere Frauen, die ihre Schwiegertöchter oder eigenen Kinder misshandeln.

Konflikte wie Nachbarschaftsstreitigkeiten werden in Afghanistan oft durch Sitzungen der Dorfältesten gelöst. Zumeist besteht dieser Kreis aus Männern. In einzelnen Provinzen sind aber auch Frauen in den Ältestenräten zu finden. Altersheime sucht man im Land am Hindukusch vergebens. Dem muslimischen Glauben und der afghanischen Kultur entsprechend ist der Schutz der Älteren, allen voran der Eltern, eine religiöse Pflicht jedes Sohns und jeder Tochter. Wenn eine Frau keine Kinder (mehr) hat, kümmern sich entfernte Verwandte um sie.

 

Von Carolin Küter, Lyon

CarolinWie machen die Französinnen das nur? Selbst im vergleichsweise hohen Alter bleiben sie elegant, schlank, begehrenswert. Der ewigwährende jugendliche und überaus weibliche Charme der Französinnen ist ein Klischee und doch halten nicht nur Filmstars wie Cathérine Deneuve den Glauben daran aufrecht. Die 72-Jährige ist stolz darauf, als ewige „Mademoiselle“ angesehen zu werden. Die Anrede für unverheiratete Frauen gilt zusammen mit „jeune fille“ – entspricht dem deutschen „junge Dame“, heißt wörtlich übersetzt „junges Mädchen“ – bei vielen Ehefrauen, Müttern und Französinnen auch jenseits der 30 weiterhin als Kompliment.

„In der landläufigen Vorstellung heißt eine Frau zu sein, schön zu sein. Das stimmt nicht unbedingt mit dem Bild von einer alten Frau überein“, sagt Simone Pennec, Soziologin an der Universität im bretonischen Brest. „Wir haben ein eher schlechtes Bild von alten Frauen.“ Das Alter gelte eben als wenig sexy und die wirklich betagten Menschen seien in Frankreich nun mal vor allem Frauen. Männer machen bei den über 95-Jährigen nur 15 Prozent aus, bei den über 84-Jährigen sind es 30 Prozent.

Die Durchschnittsfranzösin stirbt laut Pennec im Alter von 85 Jahren, der Durchschnittsfranzose lebt 77 Jahre. Verheiratete Frauen seien im Mittel vier Jahre jünger als ihre Männer. Dadurch ergibt sich nicht nur, dass viele Frauen ihre Männer im Alter pflegen, sondern auch, dass sie ihren Lebensabend öfter als Männer alleine verbringen. Dabei wohnen sie so lange wie möglich im eigenen Zuhause und werden, wenn nötig, von mobilen Pflegediensten betreut sowie von den Angehörigen. „Die Familie erledigt den Großteil der Arbeit“, so Pennec.

Das Pflegesystem sei darauf ausgerichtet, alte Menschen erst dann im Altersheim unterzubringen, wenn sie komplett pflegebedürftig sind. „In anderen europäischen Ländern gibt es eine größere Vielfalt an Betreuungseinrichtungen für Menschen, die noch teilweise selbstständig sind“, so Pennec. Private Anbieter schließen diese Lücke, sagt die Soziologin. „Aber das muss man sich leisten können.“

Für Frauen dürfte das in den meisten Fällen schwieriger sein als für Männer: Ihre Rente ist im Durchschnitt 25 Prozent niedriger. Zieht man Hinterbliebenenrenten und Zuzahlungen für Kindererziehungszeiten ab, sind es sogar 39 Prozent.

 

Von Veronika Eschbacher, Los Angeles

VeronikaSharon Norries sitzt auf der Terrasse und blinzelt in die Sonne. Im Hintergrund läuft am Flachbildschirm des Eingangsbereiches ein Tennis-Match aus Wimbledon. Vor ihr plätschert ein Zierbrunnen, links rastet ein Schmetterling auf den roten Blüten der Gartenhecke. Ihren Gehstock hat die ruhige 82-Jährige an den eisernen Gartenstuhl gelehnt, ein Glas mit Orangensaft mit pinkem Schirmchen steht vor ihr. „Heute raste ich ein wenig“, sagt die Frau zu einer vorbeikommenden Mitbewohnerin in Yoga-Kleidung. „Recht hast du“, sagt diese. „Aber es sieht schon viel besser aus“, fährt sie fort und deutet auf eine große, rote Schramme auf Norries‘ Stirn. „Ja? Findest du?”, fragt Norries. „Ja, wirklich“, antwortet diese und entschuldigt sich – sie eile doch zum Tai Chi.

Norries selbst sagt sie sei froh, nach mehreren Jahren, in denen sie alleine gelebt hatte nach dem Tod ihres Mannes, nun in ein Seniorenheim übersiedelt zu sein. Sie sei ein bisschen tollpatschig geworden im Alter, wie man an der Schramme erkennen könne; aber auch einsam. Hier im Heim im kalifornischen Newport Beach habe sie alles: „Dort hinten ist der Pool, da um die Ecke finden die Kreativ-Workshops und Gehirntraining statt, dort in dem Zimmer gibt es immer Gesangsstunden und Bingo. Auch für Friseur und Pediküre muss ich nur ein paar Schritte machen.“ Was der Aufenthalt hier kostet? Norries zieht die Schultern hoch. „Darum kümmert sich mein Sohn.“ Marktüblich sind Preise ab 3500 Dollar im Monat für gehobenere Altersresidenzen wie diese in Kalifornien. Der Preis ist aber auch noch weit nach oben offen – Luxus-Altersresidenzen, die über eigene Golfplätze, Salzwasserpools, Spas und extensive medizinische Einrichtungen verfügen, verlangen monatlich 11.000 Dollar aufwärts. Oft muss auch ein Teil der Immobilie miterworben werden.

Die wenigsten Frauen in den USA freilich können sich so einen Lebensabend leisten. Für das Grundeinkommen der rund 42 Millionen Amerikaner, die heute älter als 65 Jahre alt sind (das sind gut 14 Prozent der Bevölkerung), ist die Social Security zuständig. Im Schnitt erhalten Rentner rund 1350 Dollar im Monat, die Höhe richtet sich nach den Beiträgen, die im Berufsleben eingezahlt wurden. Von den früher üppigen, zusätzlichen Betriebsrenten profitieren mittlerweile nur mehr 27 Prozent der Senioren.

Die während des Berufslebens eingezahlten sind freilich bei Frauen, die im Schnitt weniger verdienen als Männer, niedriger. Gleichzeitig haben sie längere Zeiten wegen Kindererziehung nicht gearbeitet und sie leben länger, als Männer (81,4 Jahre vs. 76,6 Jahre). Das hat gravierende Folgen: Laut einer Studie des National Institute on Retirement Security (NIRS) vom März 2016 ist die Wahrscheinlichkeit, im Rentenalter zu verarmen, bei amerikanischen Frauen um 80 Prozent höher, als bei Männern. Das Einkommen bei Frauen im Alter von 65 Jahren ist laut NIRS im Schnitt um 25 Prozent niedriger, als bei Männern gleichen Alters. Und der Unterschied wird noch größer, je länger Frauen leben. Das Einkommen von Männern mit 80 Jahren liegt um 44 Prozent über dem der Frauen.

So ist es nicht verwunderlich, dass heute mehr Frauen über 65 als je zuvor weiter im US-Arbeitsmarkt sind. Es ist keine große Seltenheit mehr, dass 72-jährige Frauen an privaten Bildungseinrichtungen unterrichten oder einen bei der Immobiliensuche unterstützen. Seit der Rezession im Jahr 2007 ist die Gruppe der berufstätigen Frauen über 65 die einzige Kategorie, die jährlich gewachsen ist – während jede andere Alters- und Geschlechtsgruppe im Arbeitsleben stagnierte oder sank.

Im Jahr 1992 war eine von 12 Frauen in den USA in der Altersgruppe von 65 plus berufstätig. Heute ist es eine von sieben. Schätzungen des US-Arbeitsministeriums zufolge wird 2024 jede Fünfte über 65 weiterhin arbeitstätig sein, das sind 6,3 Millionen Frauen. Experten nennen dies „eine der verblüffendsten Entwicklungen“ auf dem US-Arbeitsmarkt in den vergangenen 50 Jahren.

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