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Debatte über Monatsblutung
Ugandas führende Feministin vor Gericht

31. Mai 2017 | Von Simone Schlindwein
Rashida Nalukenge (links) und Catherine Nantume (rechts) nähen Damenbinden. Fotos: Simone Schlindwein

Ugandas Schulmädchen sind benachteiligt: Sie können sich während ihrer Periode keine Binden leisten und verpassen dann den Unterricht. Der Präsident versprach 2016 kostenlose Binden an Schulen. Doch dazu reichte dann das Geld nicht. Mit einer Crowdfunding-Kampagne wollte die Feministin Stella Nyanzi Binden sammeln. Ihre Kritik am Präsidenten brachte sie ins Gefängnis.  

Von Simone Schlindwein, Kampala

Ausgerechnet die Themen Menstruation und Damenbinden haben in Uganda eine hitzige Debatte um die Einschränkung der Meinungsfreiheit entfacht. Ugandas führende Feministin Stella Nyanzi wurde verhaftet und angeklagt – wegen mutmaßlicher „Cyber-Belästigung“. Sie hatte das Präsidentenehepaar im Januar in einem Facebook-Post als „ein Paar Arschbacken“ bezeichnet.

In dem kleinen ostafrikanischen Land Uganda sind öffentliche Diskussionen um die Periode ein absolutes Tabu, die ugandische Gesellschaft ist mehrheitlich christlich und erzkonservativ. Dennoch hat ausgerechnet der 72-jährige Präsident Yoweri Museveni sich das Thema im Wahlkampf auf die Fahnen geschrieben. Als er auf seiner Wahlkampftour 2016 zum Stimmenfang durch die Dörfer zog, versprach er, die Regierung werde bei seiner Wiederwahl, kostenlose Damenbinden an Mädchen in den Schulen verteilen. Eine landesweite Evaluation des Schulsystems hatte zuvor gezeigt: Mädchen von armen Familien auf dem Land schneiden bei den Schulexamina bei weitem schlechter ab. Der Grund: Sie verpassen regelmäßig einmal im Monat für mehrere Tage den Unterricht.

So sehen die fertig genähten Binden am Ende aus.

So auch die 14-järhige Catherine Nantume, die in einem Armenviertel von Ugandas Hauptstadt Kampala auf die „Care“-Grundschule geht. „Ich habe während meiner Periode die Schule geschwänzt, weil meine Mutter mir keine Binden kaufen kann, sie sind schlicht zu teuer“, sagt sie. Das Mädchen in der schneeweißen Schuluniform sitzt nach Unterrichtsende in einem der kleinen Klassenzimmer an einer Nähmaschine. Im Bastelworkshop lernen die Mädchen hier, wie sie wiederverwertbare Binden selbst herstellen können: aus Frotteestoff und Baumwolle, was sich waschen lässt.

„Früher habe ich alte Stofffetzen benutzt, die ich mir in die Unterhose klemmte, doch die bluteten oft durch – ich habe mich nicht in die Schule getraut, weil ich Angst hatte, die anderen Kinder würden mich dann auslachen“, sagt sie und bedient gekonnt das Pedal an der manuellen Nähmaschine. Im Supermarkt kosten herkömmliche Binden in Uganda umgerechnet rund ein Euro pro Stück, die wiederverwertbaren knapp fünf Euro. Viele Familien, die täglich mit rund einem Euro überleben müssen, können sich dies schier nicht leisten.

Kein Geld für Binden

Kein Wunder also, dass Präsident Museveni sich mit seinem Versprechen erhofft hatte, vor allem die weiblichen Wählerstimmen auf seiner Seite zu wissen. Nach der gewonnenen Wahl hat der Präsident, der bereits seit 30 Jahren an der Macht ist, seine Frau Janet Museveni zur Bildungsministerin ernannt. „Wir hatten wirklich viel Hoffnung, dass sie sein Versprechen wahrmachen wird“, sagt Sarah Nakabira, Direktorin der „Care“-Grundschule. Doch nach einem Blick in den Staatshaushalt musste die Ministerin rasch feststellen: Für Millionen von Binden reicht das Geld nicht aus. Die Enttäuschung war groß.

Im Radio und Fernsehen wurde das Thema heiß diskutiert. Das brachte auch die Feministin Nyanzi auf die Barrikaden. Die Doktorandin lehrt an Ugandas staatlicher Universität Genderstudien und hat zum Thema Sexualität in Afrika promoviert. Dass sie der Opposition nahesteht und gern provokativ sämtliche Tabus bricht – dafür ist sie bekannt. Bei einem Unistreik vergangenes Jahr streckte sie ihre nackten Brüste in die TV-Kameras, um Aufmerksamkeit zu erregen. In einem erzkonservativen Land, in welchem Röcke per Gesetz bis über das Knie reichen müssen und ein Ministerium für Ethik und Anstand stetig dafür sorgt, dass keine Pornografie in Umlauf gerät, ist das ein absoluter Tabubruch.

Pads4Uganda-Team mit Ugandas führender Feministin Stella Nyanzi (Zweite von rechts).

Auf Facebook und Twitter rief sie schließlich unter dem Hashtag #Pads4GirlsUg eine Crowdfunding-Kampagne aus. Per mobilem Geldtransfers über das Handy sammelte sie Geld, um damit die versprochenen Damenbinden an den Schulen verteilen zu können. Dabei kritisierte sie in ihren Posts die Präsidentenfamilie mit vulgären Sprüchen. Ihre grundsätzliche Kritik richtete sich an die Präsidentengattin und andere Politikerinnen in der Regierung.

Uganda ist für afrikanische Verhältnisse in Sachen Gleichstellung von Frauen gar nicht schlecht aufgestellt. Die Verfassung sieht seit der gewaltsamen Machtergreifung Musevenis 1986 eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent im Parlament vor. Dennoch würden sich diese Frauen in der Politik nicht für die Interessen von Mädchen und Frauen einsetzen. „Jetzt haben wir so viele Vaginas im Parlament sitzen – doch sie müssen uns auch beweisen, dass sie ein Gehirn dazu haben“, kritisiert Nyanzi im Interview kurz vor ihrer Verhaftung im April.

Auf Majestätsbeleidigung folgt Gefängnis

Die vulgären Sprüche haben die religiöse Präsidentengattin erzürnt. In einem TV-Interview gab sich Janet Museveni jedoch von ihrer christlichen Seite „Ich vergebe ihr“, sagt sie großzügig, merkte aber an, dass sie Nyanzi für verrückt hält. Die Antwort von Nyanzi folgte direkt. „Ich werde ihr nicht die Füße küssen, eher küsse ich ihre Klitoris“, schreib sie auf Facebook. Das ging dann doch zu weit. In einem autoritären Regime wie in Uganda, in welchem zahlreiche Familienmitglieder Musevenis in Regierungskreisen vertreten sind sowie die Armee und die Geheimdienste kontrollieren, grenzen solche Sprüche an Majestätsbeleidigung.

Nach einem öffentlichen Vortrag zum Thema Damenbinden verschwand Nyanzi im April spurlos für mehrere Tage. Ihre Familie suchte nach ihr. Erst nach drei Tagen bestätigte die Polizei, man habe sie verhaftet. Vor Gericht wurde sie wegen „Cyber-Belästigung“ angeklagt. Der Staatsanwalt argumentierte mit einem alten Paragrafen aus der Kolonialzeit, sie sei nicht zurechnungsfähig und eine Gefahr für die Gesellschaft. In der staatlichen Psychiatrie müsse ein Gutachten über sie erstellt werden.

Über drei Wochen verbrachte Nyanzi in Ugandas größtem Gefängnis. Dort infizierte sie sich mit Malaria. Als sie bei ihrer letzten Anhörung vor Gericht erschien, war sie schwach und musste von zwei Gefängniswärterinnen gestützt in den Gerichtssaal geführt werden. Wegen gesundheitlichen Gründen ließ der Richter sie letztlich auf Kaution nach Hause gehen. Die Anklage bleibe jedoch bestehen, die Verhandlung würde weitergehen, sobald sie wieder gesund sei.

Kaum zu Hause, postet sie auf Facebook: „Es wäre so einfach, den Präsidenten zu töten und damit eine Jahrzehntelange Diktatur zu beenden.“ Solche Androhungen stehen in Uganda unter hoher Strafe. Das ganze Land diskutiert derzeit in den Medien, in Kneipen und auf der Straße nicht nur über den Grad der Meinungsfreiheit, sondern auch über Tabuthemen wie Monatsblutung.

 

 Weiterführender Link: 

„GoFundMe“-Kampagne von Stella Nyanzi: https://www.gofundme.com/padsforuganda 

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Von Simone Schlindwein, Kampala

Simone Schlindwein ist die Afrika-Korrespondentin für die tageszeitung in der Region der Großen Seen. Außerdem arbeitet sie regelmäßig für die ARD und die Deutsche Welle. Seit 2008 berichtet sie vor allem über den Kongo, die Zentralafrikanische Republik, den Südsudan, Uganda, Ruanda und Burundi. Mehr: http://simoneschlindwein.blogspot.de.

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Eva TempelmannMünster / Lima
Bis zu 40 Prozent der Frauen machen bei der Geburt ihrer Kinder gewaltvolle, teils traumatische Erfahrungen im Kreißsaal. Lena Högemann wirft in ihrem Buch „So wollte ich mein Kind nicht zur Welt bringen“ einen feministischen Blick auf die Geburtshilfe und zeigt Wege auf für mehr Selbstbestimmung.

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